Ihr erstes Design-Projekt war ein Hühnerhaus. Das hat sie zusammen mit ihrem Austauschbruder aus Ungarn im Alter von zehn oder elf Jahren gebaut. Heute beschäftigt sich die junge Berliner Designerin Anne Boenisch mit Lebensräumen von Menschen und entwirft zum Beispiel Topfuntersetzer, Lampen, Schränke und Hocker.
Anne Boenisch ist eines von 40 Design-Talenten, die einen Ausstellungsplatz auf der Frankfurter Messe Tendence gewonnen haben, um dort ihre Werke der Öffentlichkeit zu zeigen. Der Höhepunkt ihres Standes ist ein Sideboard mit Stoff-Schiebetüren. Das Besondere an dem Eichenmöbel ist der plissierte, also gefaltete Polyesterstoff, der von Grau in Weiss und dann in Rot übergeht – auf der Vorder- und Rückseite.
Die Mechanik des Prototypen funktioniert noch nicht hundertprozentig und muss für die Serienproduktion noch verfeinert werden, erzählt Boenisch. Aber manchmal seien Ideen eben nicht so einfach zu realisieren. Die Diplom-Designerin ist gelernte Tischlerin. Ihr Sideboard hat sie selbst gebaut. Dennoch gebe es Momente, bei komplexen Projekten, in denen sie sich einen Ingenieur oder einen anderen Experten an ihrer Seite wünschen würde, sagt Boenisch.
Ein etwas anderes Öko-Bewusstsein
Design ist Handwerk und Kopfarbeit. Boenischs Ideen kommen zufällig, durch äussere Impulse – und das oft völlig unvorbereitet. Zum Beispiel beim Abendessen mit der Familie. Dann hat die Designerin plötzlich ein Bild im Kopf, greift zum Stift, fertigt schnell eine Skizze. Zu Hause wird dann ein Modell erstellt. Damit die Wohnung nicht zu voll wird, werden die Papierbauten einmal im Quartal gesammelt auf den Müll gebracht, wie die 32-Jährige lachend sagt.
Ganz anders arbeitet Philipp Käfer. Er kann seine Ideen quasi per Knopfdruck abrufen. Das sei beispielsweise bei Auftragsarbeiten auch nötig, sagt er. Auch Käfer lebt in Berlin und gehört zu den ausgewählten Design-Talenten, die auf der Messe ausstellen. Seine Ausstellungsstücke tragen das Label «Ökay» und sollen nach Auskunft des Designers ein etwas anderes Öko-Bewusstsein wecken.
Bei seiner Leselampe funktioniert dies über drei integrierte Steckdosen, an denen andere elektrische Geräte angeschlossen werden können. Der Trick dabei: Die Energiemenge bleibt immer unverändert und alle Geräte müssen sich diese teilen. Das heisst, je mehr Geräte angeschlossen sind, desto schwächer leuchtet die Lampe. «Durch die Ökay-Leuchte erfahre ich, wie viel Strom welches Gerät benötigt und im Idealfall stelle ich mir die Frage, ob ich das Gerät im Moment wirklich brauche», sagt Käfer.
Der Ökay-Hocker von Philipp Käfer besteht aus einem Material, das aussieht wie Wellpappe, aber stabiles Aluminium ist. Das Möbel heisst übersetzt aus dem Englischen «Nicht noch ein Möbelstück aus Pappe». Nach Ansicht des Designers gibt es derzeit sehr viele Kartonmöbel, die als nachhaltig beworben werden, weil sie wiederverwertbar sind. «Doch bei einem Stück Möbel sollte man sich vor allem Gedanken darüber machen, wie lange es hält und nicht nur darüber, wie es recycelt werden kann», sagt der 30-Jährige. Das sei ein anderer Nachhaltigkeitsgedanke. «Wenn ich einen stabilen Hocker habe, hält er 50 oder 100 Jahre. Ein Kartonstuhl würde wahrscheinlich schon ziemlich bald eingehen».
Problem Ideenklau
Auf den ersten Blick lauter gute Ideen. Das Problem: Diese sind wertvoll und finden schnell Nachahmer. «Dreisten Ideenklau» gebe es nicht nur in Fernost, sondern auch in Deutschland, betont die Geschäftsführerin der Aktion Plagiarius, Christine Lacroix, die einmal im Jahr die dreisteste Kopie kürt. Die Nachahmer könnten potenzielle Auftraggeber, ideenarme Mitbewerber oder auch Handelsketten mit entsprechender Marktmacht sein.
Doch wie können sich Nachwuchs-Designer vor ungewollten Kopien schützen? Aktives Vorbeugen und ein solides Wissen um die eigenen Rechte und Möglichkeiten sind laut Lacroix dabei von entscheidender Bedeutung. Die Eintragung eines deutschlandweiten Geschmacksmusters koste nur rund 70 Euro, ein europaweites etwa 350 Euro. Hierfür bekommen die Designer dann eine juristische Grundlage, um illegale Nachahmer zur Rechenschaft ziehen zu können.
Wenn Produkte in die Auslagen von Geschäften kommen, wird dies meist über einen Lizenzvertrag geregelt. Das heisst, die Designer bekommen pro verkauftem Stück einen kleinen Prozentsatz vom Einkaufspreis oder Erlös. Das ist meist nicht viel. Dennoch freut es beide Designer, wenn ihre Stücke im Laden verkauft werden. «Es ist schön, wenn Menschen Freude an meinen Sachen haben», sagt Boenisch.
Um davon ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, reicht das bisher noch nicht. Daher haben die beiden Kreativen Nebenjobs. Dennoch glauben sie an eine Zukunft als selbstständige Vollzeit-Designer. Ob das klappt? Das muss die Zukunft zeigen.
Tendence
Die Tendence in Frankfurt am Main ist nach Veranstalter-Angaben die bedeutendste internationale Konsumgütermesse rund ums Wohnen und Schenken. Vom 24. bis 28. August 2012 präsentieren über 2.000 Aussteller aus aller Welt sich und ihre Produktneuheiten.