Ehrlich gesagt wundert mich dieser Artikel überhaupt nicht.
Das Problem ist auch nicht neu, sondern wird in schöner Regelmäßigkeit seit Jahren in der Fachpresse angesprochen, ohne dass sich wirklich etwas geändert hat.
Ich kann aus eigener Erfahrung nur bestätigen, dass mir in meiner Praktikanten- und Angestelltenzeit zwar jede Menge Tagesgeschäft auf den Tisch gelegt wurde, aber eine qualifizierte Förderung und Entwicklung - wie sie jeder Lehrling in einem Betrieb erhält - nicht angeboten wurde. Fragen und Bemerkungen in dieser Richtung werden oft als Störung innerbetrieblicher Strukturen gesehen. Und wer hat schon Lust, bei einer schlecht oder gar nicht bezahlten 50 - 70 Stunden-Woche jahrelang zu warten, bis diesbezüglich etwas passiert.
Folglich wechselt man auf der Suche nach Möglichkeiten oft (un) freiwillig den Betrieb, bis man ein Alter erreicht hat, dass dem immer noch anhaltenden Jugendwahn dieser Branche nicht mehr gerecht wird. Vorgesetzte ADs oder CDSs trifft man oft nur im Flur auf dem Weg zur Kantine an, da ihr Arbeitspensum eine entsprechende Betreuung gar nicht zulässt. Der 25jährige Allrounder mit 10 Jahren Berufserfahrung, umfangreichen Programmkenntnissen - natürlich stressressistent und ohne Privatleben - ist eine ignorante Illusion, die sich rächt.
Wer sich umfangreich ausbilden lässt und Berufserfahrung sammelt, z.B. mit vor dem Studium absolvierter Lehre, ist vor 30 Jahren mit seinem beruflichen Werdegang nicht fertig und anschließend für eine Branche schon veraltet, besonders wenn die Vorgesetzten auch noch jünger sind, als ihr Fachpersonal.
Ich musste mich erst selbständig machen, bis ich die Gelegenheit bekam, wenigstens ansatzweise mit dem breiten Spektrum arbeiten zu können, dass mir in all den Jahren vermittelt wurde. Um meine Weiterentwicklung musste ich mich selber kümmern:o)
Die Tatsache, dass heutige Studiengänge oft von teuren Privatschulen kommen, beschränkt auf 3-4 Jahre, damit es überhaupt einigermaßen bezahlbar ist, und Inhalte wie Typografie oder Schriftsatz nur ansatzweise vermittelt werden können, lässt bei Wegfall einer entsprechenden Grundbildung durch eine Lehre, (die heute oft nicht mehr angeboten wird), nach meiner Erfahrung gar keine andere Entwicklung zu. Zudem sorgt die wirtschaftliche Talfahrt der letzten Jahre dafür, dass das Fachwissen zugunsten einer immer billigeren Produktion einfach gekappt wurde. Korrektes Spacing ist z.B. eine mittlerweile freiwillige Leistung durch Überstunden geworden. Keiner will sie mehr bezahlen. Ausnahme sind Betriebe mit einer RZ-Abteilung ehemaliger Setzer. g
Folglich sind die Jungen zu schlecht ausgebildet und die Alten landen - wenn sie Pech haben - als Billigarbeitskräfte beim Arbeitsamt. In meinem Freundes- und Bekanntenkreis gibt es vom Studenten bis zum Grafik-Designer zahlreiche Beispiele dafür.
Wer heute bestehen will braucht ein dickes Fell, einen langen Atem oder ein gutes Netzwerk.
Schade, denn ein kreativer Beruf ist mener Meinung nach mit das beste, was man im Leben bekommen kann.
mit freundlichen Grüßen
Ein Grafik-Designer, Illustrator und Schriftsetzer