Das Plädoyer des Generalanwalts beim Europäischen Gerichtshof (EuGH), Philippe Léger, für die Rechtsmässigkeit der EU-Richtlinie eines Tabakwerbeverbots insbesondere für Pressemedien hat zu heftigen Reaktionen beim Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) sowie den Verlegerverbänden BDZV und VDZ geführt.
«Sollten sich die EuGH-Richter in ihrer für Oktober erwarteten Gerichtsentscheidung dem Votum Légers anschliessen, würde dies nicht nur eine neue dirigistische Grundlage für Werbeverbote auch in anderen Branchen schaffen, sondern gleichfalls einen grossen Schritt weiterer Machtkonzentrationen der EU zu Lasten der 25 Mitgliedsstaaten auslösen», so Georg Wronka, Hauptgeschäftsführer des ZAW.
Brüssel könne dann, angehängt an die EU-Kompetenz für den Binnenmarkt, die bisher in den Händen der Mitgliedsstaaten verantwortete Gesundheitspolitik an sich ziehen. Diese Strategie habe die EU-Kommission verfolgt, indem sie das gesundheitspolitisch begründete Tabakwerbeverbot für Zeitungen und Zeitschriften in den Mantel von angeblichen Wettbewerbsverzerrungen beim grenzüberschreitenden Pressehandel in der Richtlinie gehüllt hatte. Darin sehe der EuGH-Generalanwalt keine Verletzung des EG-Vertrag, der den EU-Mitgliedern die ausschliessliche Regelungskompetenz in Gesundheitsfragen zugewiesen hatte.
ZAW und Presseverbände appellierten an die Bundesregierung, mit der Umsetzung der Richtlinie bis zur endgültigen Entscheidung des EuGH zu warten und für den Fall der Klageabweisung das Tabakwerbeverbot nur auf grenzüberschreitende Printmedien gesetzlich anzuwenden. Diese Forderung stehe auch im Zusammenhang mit der Bedrohung der Pressefreiheit durch inhaltliche Vorgaben für redaktionelle Medieninhalte im Zusammenhang mit dem Tabakwerbeverbot. So wurde in Frankreich bereits eine Zeitung zu einer empfindlichen Geldstrafe verurteilt, weil in einer bildlichen Darstellung im Rahmen einer Sportberichterstattung das Logo einer Zigarettenmarke erkennbar war.
Weniger betroffen gibt sich hingegen die Tabakbranche selbst. Richard Gretler, Vorstandssprecher Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH, sagte hierzu: «Sollte das Gericht in seiner Entscheidung dieser Argumentation folgen, wäre die Tabakbranche aber die am geringsten betroffene Branche. Schliesslich handelt es sich um kein komplettes Werbeverbot, sondern betrifft nur einzelne Kommunikationskanäle. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen zudem, dass sich Werbeverbote nicht auf den Zigarettenabsatz auswirken. Viel schlimmer betroffen von einem solchen Verbot wäre die Verlags- und Werbebranche.»
Das Tabakwerbeverbot kostet nach ZAW-Angaben allein Zeitungen und Zeitschriften, Sponsorempfänger und Online-Dienste 118 Millionen € im deutschen Werbegeschäft. «Rechnet man die Folgen der nun befürchteten und teilweise vorbereiteten Zensur-Übergriffe der EU bei weiteren Branchen wie alkoholische Getränke, Lebensmittel und Pkw hinzu, müssten die Medien von einem bedrohten Werbevolumen von insgesamt 2,7 Milliarden € ausgehen, was zur Zeit 14 Prozent der Netto-Werbeeinnahmen der Medien entspricht», so Wronka.