Let’s talk about money – warum wird nicht über Preise gesprochen

8 Beiträge:

Aemmer, Ramon

#1

Hallo zusammen. Ich bin Design Student in Zürich und befasse mich zurzeit mit dem Thema Design und Geld als Teil meiner Bachelor Theorie. Wie ihr bestimmt alle wisst, sind Designer nicht gerade die Top-Verdiener. Ich denke, diesen Zustand haben sie sich selbst zuzuschreiben, in dem sie ihre Arbeit zu sehr als Leidenschaft betrachten und deshalb nicht richtig verrechnen. Die Dankbarkeit ist grösser, dass man eine Arbeit ausführen darf, als die Tatsache dass man seinen Lebensunterhalt mit dieser Tätigkeit finanzieren muss. Ein Phänomen, welches meiner Meinung nach, so über längere Zeit den Markt zerstört und den Designer zu einer Marionette macht.

Nun will ich euch fragen, wie ihr zum Thema Geld steht.
Redet ihr offen über eure Preise und Lohn? Und wenn nein, weshalb tut ihr das nicht?
Und denkt ihr, offene Kommunikation könnte den Markt stabilisieren oder würde bloss das untergraben der Preise fördern? Doch was will man noch untergraben, wenn heute schon Laien Gratis Plakate und Logos gestalten?

Diese Frage richtet sich an ausgebildete Designer (Grafiker, Industriedesigner, Interaction) und bewusst nicht an Laien.

Ich habe diverse Foren gefunden, bei denen explizit verboten war, über Geld zu sprechen, weiss jedoch nicht wie es hier aussieht. Danke jetzt schon für eure Antworten und allen noch einen guten Start ins neue Jahr. Ramon

Sven Geske

Geske, Sven

#2

Hallo Ramon,
leider beschreibst du einen Umstand, den ich gut kenne. Es ist in Deutschland nicht üblich über Geld zu reden. Die wenigsten sagen klar was sie verdienen, egal ob angestellt oder freiberuflich. In meinen Augen ist das aber ein Fehler. Denn gerade im selbstständigen Berufsfeld herrscht so viel Unwissen was man für seine Leistung verlangen kann. Und die Erfahrenen halten mit ihrem Wissen hinterm Berg, teils aus Angst sich billige Konkurrenz zu machen, teils aus Scham, weil sie wissen, dass sie zu wenig verlangen.
Ich bin gerade offen über meine Preise. Denn ich sehe es so, dass die einzige wirkliche Maßnahme unserem Berufsstand zu besseren Bedingungen zu verhelfen, die konsequente Aufklärung des Nachwuchses ist. Natürlich rate ich auch dazu selbst eine korrekte Wirtschaftsaufstellung zu machen. Denn jeder hat andere Lebenshaltungskosten und Arbeitsbedingungen. Denoch gibt es gewisse Grundlagen, die bei jedem gleich ist. Ich bezweifel, dass irgendein ernsthafter Selbstständiger mit einem Stundensatz unter 60 EUR sorgenfrei leben kann. Das müssen Nachwüchsler wissen. Und ich rate auch immer bei Fragen zu Projekten Kollegen zu fragen, die schon ähnliche Projekte gemacht haben. Wissen hilft hier sehr viel.
Ich glaube nicht, dass es die preise untergräbt. Denn jemand der sich zu billig anbietet wird ohnehin nicht lange auf dem Markt sein. Meine Erfahrung zeigt, dass Qualität doch noch deutlich mehr zählt als ein niedriger Preis. Meine Kunden beschweren sich jedenfalls nicht darüber, dass ich zu teuer sei. Ich sehe aber einen Unterschied ob ich mit einem Kunden oder einem Kollegen über Preise rede.

Grüße
Sven

| Antwort auf Aemmer, Ramon

Ebeling, Matthias

#3

Ich glaube auch, dass „über Geld reden“ in Deutschland tendentiell schwierig ist… In unserer Branche kommt noch hinzu, dass der Markt überschwemmt ist mit Leuten, die Ihre Dienstleistung zu günstig anbieten. Ich stimme meinem Vorredner zu, dass man hier den transparenten Austausch mit Kollegen fördern sollte. Das hilft uns allen weiter.

Grüße, Matthias

| Antwort auf Aemmer, Ramon
Strawberry

Strawberry

#4

Hallo Ramon!
Dieses Thema kommt mir auch sehr bekannt vor…offen über Geld reden eigentlich nur die Leute, die genug abheben und verdienen. Ich persönlich habe eigentlich kein Problem damit, offen darüner zu reden, aber wenn man enorm unterbezahlt ist, schreit man es natürlich auch nicht heraus. Ich kann mich der obigen Meinung nur anschließen

| Antwort auf Aemmer, Ramon

Ebeling, Matthias

#5

Absolut und ich hoffe, es öffnen sich mal ein paar Leute, sodass wir das Thema „aufbrechen“. Beste Grüße, Matthias

| Antwort auf Aemmer, Ramon
Sascha Reese

Reese, Sascha

#6

Hallo, das ist wirklich ein schwieriges Thema. Man muss als selbstständiger Grafikdesigner von seinen Aufträgen leben können und muss dem entsprechend einen gewissen Stundensatz verlangen. Leider ist es mir auch schon öfters passiert, dass potenzielle Kunden das nicht nachvollziehen konnten und schon einen Stundensatz von 40 Euro zu teuer fanden. Ausserdem gibt es leider einige Grafiker, die mit ihren Billigpreisen den Markt kaputt machen. Ich weiss nicht, ob das Studenten, oder Arbeitslose oder sonstige sind, die schon mit ein paar Kröten zufrieden sind, aber das ärgert doch sehr! Da müsste es, wie in anderen Bereichen auch Gesetze geben, die dieses Preisdumping verbieten. Und man muss mehr über die Arbeit von Grafikdesignern u.Ä. informieren. Viele Leute wissen garnicht, was für eine Arbeit von der Konzeption, über die ersten Scribbles und Layouts bis zum fertigen Produkt steckt.

| Antwort auf Aemmer, Ramon
Ralph Frien

Frien, Ralph

#7

Ich weiss nicht, ob das Studenten, oder Arbeitslose oder sonstige sind, die schon mit ein paar Kröten zufrieden sind…

Mitnichten. Das sind die netten Kollegen/innen, die einen Preis in einem Angebot mal einfach so um 50% unterbieten, um den Job zu bekommen. Das sind Kamikaze-Selbstständige, die sich sagen, bevor ich gar nichts einnehme, verkaufe ich mich eben unter Wert. Wobei man da fragen könnte, ob sie sich wertschätzen bzw. ihre Arbeit überhaupt mehr wert wäre.

Für den Kunden ist das verheerend. Er zahlt zwar weniger, so weit so toll, das Resultat knüpft aber leider selten an die zuvor gewohnte Qualität an.

Ich denke, es gibt da aber auch noch andere Gründe. Sich gegenseitig das Leben schwer zu machen, ist das Eine. Es hat sich in der Wahrnehmung von Kommunikationsmitteln jeglicher Art etwas grundsätzlich verändert. Durch das Riesenangebot im Internet bekommen wir heute vermittelt, daß alles sofort, super günstig und frei Haus zu haben ist.
Da gibt es die ausgefeilten Geschäftsmodelle von Internetplattformen, die erkannt haben, daß der Markt „Kommunikation“ RIESENGROSS ist, und so „clever“ sind, einfach Angebot und Nachfrage zusammenzuführen (designenlassen etc.).
Oder die vielen Kostenlos-Logo und Clipart-Anbieter usw.

Allerdings sehe ich auch den wichtigsten Grund dahinter in uns selbst. Wenn wir dazu stehen würden, daß gute Arbeit gutes Geld wert ist von dem man leben kann, und nicht schon mit der Befriedigung, eine schöne Arbeit gemacht zu haben, glücklich wären …

Daher müssen wir über Geld reden, weil uns das über die persönliche Befriedigung hinaus die nötige Wertschätzung bringt.

Und auch mal einen Urlaub 😉

| Antwort auf Aemmer, Ramon
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