Damit hätte kaum jemand gerechnet: Nach nur zweieinhalb Tagen der Beratungen fällte ein Geschworenengericht im kalifornischen San José sein Urteil im Mammutprozess des Smartphone-Riesen Apple gegen Branchenprimus Samsung. Es fiel vernichtend für die Südkoreaner aus. Sie kamen mit keiner ihrer Forderungen gegen den Konkurrenten durch. Apple hingegen gewann auf ganzer Linie. Ein Ende des Streits zwischen den beiden Giganten ist allerdings nicht in Sicht: Das letzte Wort in diesem Fall sei noch nicht gesprochen, kündigte Samsung an.
Am Freitag gegen 14.30 Uhr (Ortszeit) unterrichteten die Geschworenen Richterin Lucy Koh, dass sie zu einer Entscheidung gekommen seien. Der jüngste der Juroren übergab in Flipflops, Shorts und Beatles-Sweatshirt das zwanzig Seiten starke Urteil. Demnach erhalten die Amerikaner mit 1,05 Milliarden Dollar (838 Millionen Euro) Schadenersatz zwar weniger als die Hälfte der eingangs geforderten Summe von 2,5 Milliarden Dollar. Doch die Jury sah es als erwiesen an, dass Samsung bei der innovativen Technologie von iPhone und iPad abkupferte. Die Forderung der Südkoreaner in Höhe von 399 Millionen Dollar wurde daher rundheraus abgewiesen.
Samsung droht Apple mit weiteren Rechtsstreits
Samsung reagierte entsprechend verschnupft. «Das heutige Urteil sollte nicht als ein Sieg für Apple, sondern als Verlust für den amerikanischen Verbraucher betrachtet werden», teilte das in Seoul ansässige Unternehmen in einer ersten Reaktion mit. So werde es zu weniger Auswahl, weniger Innovationen und möglicherweise zu höheren Preisen führen. Es sei «bedauerlich, dass das Patentrecht so manipuliert werden kann, dass ein Unternehmen ein Monopol über Rechtecke mit abgerundeten Ecken bekommt», fügte es am Samstag hinzu. Gleichzeitig gab sich Samsung kämpferisch. «Dies ist nicht das letzte Wort in diesem Fall oder Auseinandersetzungen, die vor Gerichten und Tribunalen weltweit ausgefochten werden», erklärte der Konzern.
Christopher Marlett, Vorstandsvorsitzender von der auf geistiges Eigentum spezialisierten Investmentbank MDB Capital, erklärte: «Ich weiss nicht, ob eine Milliarde Dollar wirklich bedeutend für Apple oder Samsung sind.» Es gebe jedoch eine andere Komponente. Als Unternehmen wolle man nicht den Ruf haben, von anderen zu stehlen. «Ich bin sicher, Samsung will als Wegbereiter bekannt sein, insbesondere, da vielen asiatischen Unternehmen der Ruf vorauseilt, innovative Designs zu kopieren», sagte er.
Im Schlussplädoyer erklärte Apple-Anwalt Harold McElhinny, Samsung habe nach der Einführung des iPhones im Jahr 2007 eine «Design-Krise» durchgemacht. So seien die Verantwortlichen bei Samsung entschlossen gewesen, illegal Kapital aus dem revolutionären Gerät zu schlagen, sagte McElhinny.
Samsungs Anwalt Charles Verhoeven bezeichnete die Forderung als lächerlich. Er warf Apple vielmehr vor, Samsungs Technologie ohne angemessene Entschädigung genutzt zu haben. Im Übrigen seien Apples Ideen nicht so einzigartig. Die Kunden bekämen nur, wonach sie ohnehin verlangten.
US-Prozess nur einer von vielen
Apple ist das wertvollste Unternehmen der Welt, Samsung der weltgrösste Smartphone-Hersteller. Der US-Prozess zwischen den zwei Giganten ist nur einer von vielen, die beide Konzerne gegeneinander führen. Andere werden in Deutschland, Grossbritannien oder Australien ausgetragen. Und es ist nur eines von rund 50 juristischen Verfahren, die Telekommunikationsfirmen weltweit gegeneinander angestrengt haben, um sich eine bessere Position im rund 219 Milliarden Dollar grossen Markt für Smartphones und Tablet-PCs zu sichern.
Vor den Beratungen der neun Geschworenen, die am Mittwoch begannen, wurden in dem Prozess drei Wochen lang Experten, Patentanwälte und Vertreter beider Firmen gehört. Juristen und Analysten der Wall Street stuften dabei von Beginn an Samsung als unterlegenen Teil ein. So liegt die Firmenzentrale von Apple nur knapp 15 Kilometer vom Gerichtsgebäude entfernt. Zudem stammen die Geschworenen alle aus dem Kerngebiet des Silicon Valleys, wo der im vergangenen Jahr verstorbene Firmengründer Steve Jobs als Technikpionier verehrt wird.
Anderer Ausgang in Südkorea
Völlig anders ging am Vortag ein ähnlicher Prozess in Seoul aus: Apple muss hier wegen Ideenklaus vergleichsweise bescheidene 40 Millionen Won (28.000 Euro) zahlen. Samsung wurde aus selbem Grund zu einer Zahlung von 25 Millionen Won verurteilt. Das Bezirksgericht wies Apple an, seine Mobiltelefone des Typs iPhone 3GS und iPhone 4 sowie die Tablets iPad 1 und iPad 2 in Südkorea aus den Regalen zu nehmen. Diese Produkte verletzten zwei Patente von Samsung, hiess es zur Begründung. Umgekehrt wurde auch der südkoreanische Hersteller schuldig gesprochen, von Apple kopiert zu haben. Das Gericht verbot deswegen den Verkauf des Smartphones Galaxy S2 und anderer Produkte in Südkorea. Die jeweils aktuellen Geräte, darunter das iPhone 4S und das Galaxy S3, sind allerdings nicht betroffen.
«Atomkrieg» um Android
Bei dem Konflikt geht es neben Details bei der Formgebung eigentlich um Googles Smartphone-Betriebssystem Android, das derzeit die Spitzenposition im Markt hält. Apple geht jedoch aus strategischen Gründen vorzugsweise gegen Hersteller vor, die dieses Betriebssystem verwenden. Der im letzten Jahr verstorbene Apple-Gründer Steve Jobs bezeichnete Android als ein «gestohlenes Produkt» gegen das er bereit sei, einen «Atomkrieg» zu führen. Das Urteil aus San José dürfte hierzu nun einiges an Munition geliefert haben.