Das Gezerre hat ein Ende: Ab morgen gilt ein vom Rat für deutsche Rechtschreibung modifiziertes Regelwerk zur neuen Rechtschreibung, das ab diesem Zeitpunkt auch an den Schulen gelehrt wird. Selbst der Axel-Springer-Verlag, der nach einem kurzen Intermezzo zur reformierten Schreibweise die neuen Regelungen boykottiert hatte, kehrt ab morgen zur neuen Schreibweise zurück.
dasauge hat die wichtigsten Regelungen und ihre Unterschiede zu der auf das Jahr 1902 zurückgehenden «alten Rechtschreibung» zusammengestellt:
Das «ss»
Die meisten Missverständnisse und Fehler gibt um das «ss», obwohl hier lediglich Ausnahmen beseitigt wurden. Die Regelung stellt sich nun wie folgt dar:
- Das «ss» steht grundsätzlich weiterhin nach langen Vokalen – nach kurzem folgt das Doppel-«s». Als Eselsbrücke fungiert hier der deutliche Bedeutungs- und Ausspracheunterschied zwischen «in Massen» und «in Massen».
- Als lange Vokale gelten automatisch auch alle Doppellaute (nicht Umlaute) wie in «Preussen» oder «aussen». Diese und die vorige Regel lassen sich mit «Weissrussland» zusammenfassen.
- Änderungen gibt hier gegenüber der alten Regelung also nur bei einigen Wörtern wie «dass» (statt «dass»), «Schluss» oder «Misstrauen». Die häufig aus unerfindlichen Gründen auftretenden Schreibweisen «Grüsse», «Fussball» oder «Strasse» sind also weiterhin falsch, da der S-Laut hier jeweils auf einen langen Vokal folgt.
- In der Schweiz und Liechtenstein wird hingegen die Verwendung des «ss» seit den Dreissigerjahren nicht mehr gelehrt und ist hier entsprechend unüblich.
Aufeinandertreffen von drei gleichen Buchstaben
Folgen durch eine Wortzusammensetzung drei gleiche Buchstaben aufeinander, fällt keiner von ihnen weg – also «Schifffahrt» statt in alter Schreibweise «Schiffahrt». Dies wird auch automatischen Silbentrennungen in DTP-Programmen die Arbeit erleichtern, die bislang oft an der Trennung von «Schiffahrt» in «Schiff-fahrt» scheiterten.
Getrennt oder zusammen
Zu Getrennt- und Zusammenschreibung gilt:
- Ist der erste Teil eines zusammengesetzten Ausdrucks ein Verb oder Nomen, wird in der Regel auseinandergeschrieben, also «spazieren gehen», «Rad fahren».
- Diese Regelung wurde nun in Verbindung mit «lassen» und «bleiben» gelockert, da dies oft zu Sinn entstellenden Schreibweisen geführt hatte: «sitzenbleiben» ist also wieder in Ordnung.
- Weiterhin zusammen bzw. mit Bindestrich werden grundsätzlich alle zusammengesetzten Nomen geschrieben, also «PDF-Dokument», «Webserver», und «Screendesigner» (oder auch «Screen-Designer»).
- Kombinationen mit Zahlen benötigen nun einen Bindestrich («10-jährig» statt «10jährig»).
Gross oder klein
Zu Gross- und Kleinschreibung gilt:
- Tageszeiten nach Adverbien wie «heute» oder «gestern» werden grossgeschrieben, also «heute Morgen» und «gestern Abend».
- Nach den neuen Vorschlägen des Rechtschreibrates werden einzelne Begriffe wieder klein- und zusammengeschrieben, wenn das Wort sonst sinnentstellt würde – hierzu zählt das berühmte «pleitegehen».
- Zusammengesetzte Eigennamen wie «das Ohmsche Gesetz» können grossgeschrieben werden.
- Das «du» in Briefen darf wieder grossgeschrieben werden, muss es aber nicht.
- Nomen werden weiterhin immer grossgeschrieben, auch wenn es sich um Lehnwörter handelt, die aus Sprachen stammen, in denen man immer klein schreibt. Also «E-Mail», nicht «e-mail».
Fremdwörter
Bei Fremdwörtern gibt es insbesondere Kann-Regeln:
- Einige Fremdwörter wurden eingedeutscht. Schreibweisen wie «Portmonee» sind jedoch nur eine Möglichkeit, die Original-Schreibweisen sind weiterhin in Ordnung. Der «Tipp» mit zwei «P» hat sich hier jedoch sehr schnell durchgesetzt.
- Modernisiert wurde oft auch die altehrwürdige «ph»-Schreibweise. Auch hier gilt: beides ist möglich – sowohl «Paragraf» als auch «Pararagraph».
- Weiterhin gilt, dass fremdsprachige Grammatikregelungen im Deutschen keine Bedeutung haben. Insbesondere für englischsprachige Wörter auf «y»-Endung bedeutet dies «Babys» (nicht «Babies»), «Communitys» (nicht «Communities»).
Kommasetzung
Die Kommasetzung wurde weit gehend liberalisiert. Viele Kommasetzungen sind optional geworden. Das bislang bei «und» oder «oder» verbotene Komma darf jetzt hingegen gesetzt werden.
Wortstämme
Die Wortstämme werden stärker bei der Schreibweise berücksichtigt. So wird «aufwendig» zu «aufwändig» (weil: «Aufwand») und «potentiell» zu «potenziell» (weil: «Potenz»).
Trennung
Bei der Silbentrennung gelten in der Regel Vereinfachungen:
- Dem «st» tut die Trennung nicht mehr «weh» – die Sonderregelungen entfallen hier – also «Fens-ter» genau wie «Haf-tung».
- Das Doppel-K bei Trennung von «ck» gibt es auch nicht mehr – hier gilt «Zu-cker» statt «Zuk-ker» – auseinandergerissen werden darf das «ck» aber weiterhin nicht.
- Weiterhin werden viele Sonderregelungen abgeschafft, sodass die «Trennung nach Gefühl» einiges besser funktioniert als bisher: z. B. «wa-rum» statt «war-um».
Das aktualisierte Regelwerk einschliesslich des Wörterverzeichnisses sowie ein Bericht über die Arbeit des Rats für deutsche Rechtschreibung können unter www.rechtschreibrat.com abgerufen werden. Zum Nachschlagen empfehlen sich der Duden, der bei mehreren richtigen Varianten eher konservative Empfehlungen gibt, oder der Wahrig, der sich enger an den Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung orientiert.