Geht es nach dem Willen des Europäischen Parlaments, soll Werbung, in der Frauen für Staubsauger und muskelstrotzende Männer für Autos Reklame machen, schon bald der Vergangenheit angehören. Mit grosser Mehrheit haben die Parlamentarier einem Entschliessungsantrag der schwedischen Abgeordneten Eva-Britt Svensson zugestimmt, dass Werbung nicht diskriminierend und entwürdigend sein darf. Zwar ist der aktuelle Beschluss nur erst einmal eine Aufforderungen an die Industrie, auf derartige Werbemassnahmen zu verzichten, doch rechnen Experten schon bald mit weiteren Schritten. «Diese Debatte kann ganz sicher dazu führen, dass wir schon bald verbindliche Beschlüsse erleben», meint Mary Honeyball, britische Rechtsanwältin und Mitglied des Komitees für Frauenrechte und Gleichstellung. Die Gefahr, dass in der Werbung künftig nur noch geschlechtsneutrale Strichmännchen mit durchschnittlichem Körperumfang Produkte vorführen dürfen, ist also noch nicht gebannt.
Stereotype
Doch dürfte die Werbebranche über den nun getroffenen Kompromiss noch froh sein. Denn ginge es nach Svensson und einigen ihrer Kollegen, hätten ganz andere Bandagen angelegt werde sollen. Ursprünglich sollte ein europaweiter Verhaltenskodex für die Werbebranche verabschiedet werden. Auch das Plädoyer an Werbetreibende, nicht nur extrem dünne Models zu zeigen, sondern «ein realistischeres Spektrum von Körperbildern an den Tag zu legen», fiel letztlich weg.
Andererseits bleibt das Parlament bei der Forderung, die «noch weit verbreiteten» Stereotypen aus Schulbüchern, Videos und Computerspielen zu verbannen und dafür solle auch nicht mehr geworben werden. «Frauen kaufen niedliche kleine Autos, um ihre Einkaufstüten darin zu verstauen, Männer schliessen Versicherungen ab, um ihre Familie zu beschützen – nirgendwo anders werden so viele tradierte Rollenbilder bemüht wie in der Werbung», schimpft die linke Abgeordnete Feleknas Uca, im Interview mit derwesten.de.
«Weiterer Affront»
Trotz des für die Werbebranche an sich noch milden Beschlusses, hagelt es massiv Kritik. «Solange Spülmittel überwiegend von Frauen eingekauft werden, muss sich doch die Werbung an sie wenden dürfen», kontert Volker Nickel vom Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft. «Firmen, die sich nicht an ihre Kunden und Verwender richten, gehen schliesslich pleite.» Für Nickel sind die neuerlichen Vorstösse aus Brüssel ein weiterer Affront gegenüber der Werbebranche.
Derzeit wird zum Beispiel in Deutschland auch darüber diskutiert, ob für Alkohol und Tabak gar nicht mehr geworben werden darf. «Dazu kommt die Enteignung von Werbeflächen, die die EU durch die Vorschläge zur Automobilwerbung derzeit plant», sagt Nickel. Demnach sollen zukünftig 20 Prozent der Werbefläche für Umweltinformationen zur Verfügung gestellt werden.
Freie Meinungsbildung bevorzugt
Auch beim Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) ist man über den Svensson-Bericht alles andere als begeistert. «Ein Wertewandel muss sich in freier Meinungsbildung entwickeln und darf nicht durch die Politik vorgeschrieben werden», sagt Christoph Fiedler, Leiter Europa- und Medienrecht beim VDZ. Dennoch sieht man auch beim Branchenverband ein, dass es durchaus schlimmer hätte kommen können. «Uns wäre eine positive Formulierung zur Medien- und Pressefreiheit lieber gewesen, doch die jetzige Fassung ist für uns handhabbar», meint Fiedler abschliessend.