Die grösste südamerikanische Stadt São Paulo hat ein Gesetz erlassen, das jegliche Aussenwerbung verbietet. Dies ist nicht der erste Versuch der Stadtverwaltung, die überbordenden Leuchtreklamen, Werbetafeln, Plakate und Laufschriften in den Griff zu bekommen, die das Stadtbild prägen. Allerdings haben sich die meisten Werber nicht an die gesetzlichen Beschränkungen gehalten. Daher entschloss sich São Paulos Stadtverwaltung zu einer radikalen Massnahme. Dieses Gesetz sei ein seltener Sieg öffentlichen Interesses über das Private, von Ordnung über das Chaos, der Ästhetik über die Hässlichkeit, von Sauberkeit über Müll, triumphiert Roberto Pompeu de Toledo, São Paulos Stadtchronist, im brasilianischen Wochenmagazin Veja.
«Wie New York ohne Times Square»
Die Werbewirtschaft wettert gegen das Gesetz. Die freie Meinungsäusserung würde verboten, Arbeitsplätze geopfert und die Sicherheit auf den Strassen durch die dann fehlende Beleuchtung aufs Spiel gesetzt werden, argumentieren die Werber. «Dieses radikale Gesetz verstösst gegen die Regeln einer Marktwirtschaft», empört sich Marcel Solimeo, Chef-Ökonom des Werbeverbands, der 32.000 Mitglieder umfasst. «Das ist wie New York ohne den Times Square oder Tokio ohne Ginza», so Solimeo weiter. Das Gesetz, das ab 1. Januar in Kraft tritt, reguliert haargenau die Grösse von Ladenschildern und verbannt auch Werbung auf Bussen und Taxis. Bis zu 4.500 Dollar müssen Gesetzesübertreter zahlen.
Grossteil illegal
Die Werbewirtschaft gibt zu, dass der Grossteil der geschätzten 13.000 Aussenwerbeflächen in der elf Millionen Einwohner zählenden Stadt illegal ist, fühlt sich dennoch als Sündenbock. Die Bevölkerung begrüsst das Gesetz und kann die Empörung unter den Werbefachleuten kaum nachvollziehen. «Die Wahrheit ist, hier sind so viele Banner, Werbetafeln, Plakate, Zeichen und Poster verteilt, dass sie ihre Wirkung verloren haben und ich sie kaum beachte. Was ist der Sinn für den Hersteller, für die Bewerbung eines Produktes zu bezahlen, wenn es nicht mehr als meine Sicht versperrt und mich verwirrt?», fragt Livia Okamoto, Zahntechnikerin, in der New York Times. Städteplaner, Architekten und Umweltschützer feiern das Gesetz, das São Paulo dem Ideal einer urbanen Utopie näher bringt. «Wir zielen auf eine komplette Veränderung der Kultur», sagt Roberto Tripoli, Vorsitzender des Stadtrats.