Werberat: Tadel für MTV, Freispruch fürs ZDF

2006 hatte der Werberat über Beschwerden zu 229 Anzeigen, Spots und Plakate zu entscheiden. Bei rund einem Viertel schloss sich der Werberat den Protesten an, 116 sprach das Gremium hingegen von Kritik frei.

Der Grad der Empörung in der Bevölkerung über Werbung in Deutschland ist im Jahr 2006 auf 1.116 beim Deutschen Werberat eingegangene Proteste gestiegen (Vorjahr: 788). Die Anzahl der von Beschwerden betroffenen einzelnen Werbekampagnen hat dagegen mit 341 Sujets im Vergleich zum Vorjahr (403) abgenommen, berichtete der Vorsitzende des Deutsche Werberats, Jürgen Schrader, am Dienstag in Berlin.

Ursache der überdurchschnittlich angewachsenen Protestmenge war die Anzeige der Rundfunkzeitschrift «Hörzu» mit allein 490 Briefen gegen das Motiv der Agentur Conrad Gley Thieme. In der Abbildung war eine Afrikanerin zu sehen, die auf dem Schoss eines hellhäutigen Geschäftsmanns sass. Sie trug neben typischer Stammeskleidung auch eine so genannte Lippenplatte, mit deren Hilfe die Lippe weit über das Gesichtsfeld hinausgedehnt wird. Das sei rassistisch, meinten die Protestierer und bemängelten, dass farbige Menschen durch diese Form der Zurschaustellung als Leibeigene diskriminiert würden. Mit den Vorwürfen konfrontiert, zog der Verlag die Anzeige zurück.

ZDF wirbt nicht mit Behinderung

Mehr als ein Drittel (112) der von Bürgerkritik belegten Kampagnen betraf entweder keine Werbung der Wirtschaft, oder das Gremium übertrug Vorgänge an zuständige Stellen wie die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs.

Zu entscheiden hatte der Werberat über 229 Anzeigen, Spots und Plakate. 116 davon sprach das Gremium von Kritik frei, wie beispielsweise die Eigenwerbung des ZDF (damalige Agentur: Serviceplan). Der Sender bewirbt sein Programm mit der Abbildung von Prominenten, die sich jeweils mit einer Hand ein Auge zuhalten und dem Text dazu: «Mit dem Zweiten sieht man besser». Den Vorwurf von Kritikern, damit würden sehbehinderte Menschen diskriminiert, konnte der Werberat nicht folgen.

«Klarmobil» demütigt Frauen

Beanstandet hat die Institution insgesamt 63 Werbemassnahmen der Wirtschaft. In 61 Fällen stellten die Unternehmen die Werbung ein oder änderten sie ab (Durchsetzungsquote: 97 Prozent). Nur in zwei Fällen musste eine öffentliche Rüge erfolgen (Vorjahr: drei), weil die betroffenen Firmen ihre kritisierten Motive zunächst weiter schalteten.

So veröffentlichte der Rendsburger Funknetzanbieter Klarmobil GmbH eine Zeitungsanzeige mit dem nackten Oberkörper einer Frau und dem Text «Lust auf ’ne billige Nummer? Kannst auch Deine alte mitbringen». Der Werberat war mit den Beschwerdeführern der Auffassung, Bild und Text erweckten den Eindruck, die abgebildete Frau sei für Geld zu sexuellen Handlungen bereit. Das verstosse gegen Branchengrundsätze.

Die zweite Rüge erging gleichfalls wegen Frauen diskriminierender Werbung an die KS Autoglas GmbH (Bornheim). Auf dem Kleintransporter der Firma ist ein Frauenpo in Spitzendessous abgebildet. Ein Pfeil zeigt auf ein Muttermal am nackten Teil des Gesässes mit dem Hinweis «Steinschlagreparatur» sowie «Solche Flecken auf Ihrer Windschutzscheibe reparieren wir kostenlos».

MTV-«Popetown»-Werbung zurückgezogen

Heftige Proteste und Diskussionen löste eine ganzseitige Zeitschriftenanzeige des Musiksenders MTV aus. Der Sender hatte unter der Überschrift «Lachen statt rumhängen» für den Start seiner Zeichentrickserie «Popetown» geworben, die das Leben im Vatikan karikiert. Zu sehen war auf der Anzeige im Hintergrund ein leeres Kreuz auf einem Hügel. Im Vordergrund sitzt Christus mit Dornenkrone und Fernbedienung vor einem TV-Gerät und lacht.

Der Werberat tadelte dieses Motiv. MTV zog die Anzeige zurück. Der kalkulierte Erfolg für die Sendefolge blieb aus.

Thematischer Schwerpunkt der Bürgerkritik an den 229 kritisierten Kampagnen waren gesellschaftliche Aspekte. Mehr als ein Drittel der Proteste entfiel auf die von Beschwerdeführern behauptete Diskriminierung von Frauen (86 Werbesujets). Bei rund einem Viertel schloss sich der Werberat den Protesten an, wie der Kritik an der Plakataktion eines Mobilfunkanbieters mit Werbung für seine Preise «Noch billiger zu haben als Frau Schmidt aus der Buchhaltung». Weitere Beschwerden richteten sich gegen Gewaltdarstellungen (26 Fälle), Gefährdung von Kindern (18) oder Diskriminierung von Personengruppen (17).

Fernsehspots und Plakate besonders im Visier

Auch im Jahr 2006 entfiel die meiste Kritik auf Fernsehspots (54 Fälle) sowie auf Aussenwerbung, insbesondere Plakate (41). Es folgten Prospekte (34), Anzeigen in Zeitungen (24), Publikumszeitschriften (21), Hörfunkspots (21) und Internet (14). Werbemassnahmen in Fachzeitschriften, Kino und per E-Mail spielten fast keine Rolle im Berichtsjahr.

Archiv |

Einloggen mit deinem Konto bei…


…oder OpenID: